Rezension: Nagy, Ildikó Noémi – „Oh Bumerang“

Stories
Aus dem Ungarischen von György Buda
Originaltitel: Eggyétörve, 2010
Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien, 2013
ISBN: 978-3-99027-034-9
Bezug: Buchhandel, Preis: Euro 17,90

Ildikó Noémi Nagy legt in ihrem ersten Band Geschichten vor, in denen es sich um Befindlichkeiten dreht: Stimmungen und Alltagszustände einer jungen Frau, die sich an ihre Schulzeit, an ihre Teenagersehnsüchte und Teenagerängste in ihrem Amerika und Ungarn erinnert. Die Autorin wuchs zweisprachig auf, ihre Eltern emigrierten nach 1956 nach Kanada; – viel mehr erfährt man nicht über sie.
Sicher kann man diese autobiografisch erzählten Skizzen nicht eins zu eins umsetzen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass hier schreibend verschiedene Identitäten ausprobiert werden.
Sicher ist aber, dass Nagy ihre zwiespältigen Erfahrungen der Zugehörigkeit – nicht nur zu zwei Ländern, sondern sogar zu zwei Kontinenten hier mit einbringt. Auf der einen Seite das großzügige – für ungarische Verhältnisse – luxuriöse Leben in Amerika, mit Bungalow, Autos, Internatserziehung und einem Hund, der unbedingt dazugehören muss, eben dem „American Way of Life“; auf der anderen Seite die mehr als beengten Verhältnisse als Studentin in Budapest. Trotzdem, ihr Herz scheint am Leben in Ungarn zu hängen, das spürt man immer wieder.
Vieles äußert sich jedoch auf beiden Seiten des Atlantik im Leben der Jugendlichen sehr ähnlich: man langweilt sich, sitzt herum, redet irgendwas, trinkt, raucht. Wichtig sind Musikclips, wichtig, dass die Musik einer bestimmten Band das jeweilige Lebensgefühl unterstreicht. Hier wie da schläft man miteinander – nur so –es gehört dazu – man klaut eine Kleinigkeit, weil es Sport ist.
Die junge Generation erkennt sich wahrscheinlich wieder in den Stories; sie kennt die Probleme, sie kennt die Musik, die Bands. Die Älteren unter uns tun sich da wahrscheinlich schwerer: Die Lebenssituation ihrer Jugend sah ganz anders aus.
Schade, dass Nagy die, trotz allem vorhandenen, kulturellen Unterschiede zwischen dem Leben in Amerika und dem Leben in Ungarn nicht schärfer akzentuiert hat.
Der Stil ist minimalistisch, nüchtern bis lakonisch, manchmal witzig-ironisch. Pointen gibt es wenige – sie kommen im Alltag ja auch kaum vor. Wie schwer ist es doch, jung zu sein und seinen Platz zu finden!
Fast allen Stories ist gemeinsam: Im Mittelpunkt steht ein Mädchen, ein Teenager, später eine Frau, die sich hässlich, an den Rand gedrückt, als Versager, und nicht geliebt vorkommt. Sie wird oft bevormundet, während sie ihren Platz zwischen den Erwachsenen und in der Gesellschaft sucht.
Bei der Lektüre der 25 verschiedenen Geschichten ergibt sich für mich folgendes Bild: Da ist eine junge Frau, die etwas über sich schreiben soll. Ihre Gedanken schweifen ab an ihre Jugend in Amerika, als sie ein Internat besuchte, Stress wegen eines Jungen mit ihrer Freundin hatte, neidisch war auf eine Schulkameradin, der alles zu gelingen schien und die sich auch alles leisten konnte. Sie weiß noch, wie sie verliebt war, sie erinnert sich an das Familienleben – auch mit den Eltern ist es nicht immer einfach. In den Ferien reist sie nach Ungarn zu ihrer Omi, wo sie einmal beinahe im Balaton ertrunken wäre.
Jahre später, als sie schon in Ungarn lebt und arbeitet, fliegt sie wieder zurück nach Hause, ins geordnete, luxuriöse Leben – und zählt schon gleich die Minuten, bis ihr Flugzeug wieder Richtung Ungarn abgeht. Dort lebt sie allein – und / oder mit ihrem Mann in sehr beengten Verhältnissen, versucht an ihrer Diplomarbeit zu schreiben, während es im Nachbarhaus lautstark tobt, vom frühen Morgen bis in die Nacht. Geht sie spazieren, hat sie Assoziationen an ihr Leben in Amerika. Sie denkt an ihre Hochzeitsreise zu dritt – mit der frisch geschiedenen Mutter. (Diese Story fällt wohl unter die Rubrik Fiktion, sie könnte die Erprobung einer anderen Identität sein.)
Sie probiert ein fiktives Leben als Mann, als Frau. Doch es gelingt nicht: „Ab heute wird alles anders“. Schließlich fährt er / sie wieder heim zu den Eltern nach Jungfernpuszta, wo die Tradition ihn / sie doch fast erdrückt hatte.
Sie gibt einem Freund Geld. Der braucht es wieder für seine Freundin, die abgetrieben hat.
Sie hat keinen Freund mehr, also muss sie sparen; denn ab jetzt sorgt sie wieder für sich alleine. Ein Typ hatte ihr vorgemacht, wie man Depressionen mit Atmen bekämpfen kann. Sie hörte ihm spöttisch zu. Zu Hause setzt sie sich aufs Bett – und atmet.
Gleich in der ersten Geschichte erzählt sie von einer völlig verkorksten Sexgeschichte, die damit endet, dass Beide sich einen Videoclip ansehen.
Es sind Geschichten, wie sie heutzutage immer und überall passieren können; keine besonderen Ereignisse, nichts Weltbewegendes; der „ganz normale Wahnsinn“ im Leben der jungen Generation eben.

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